Living Stones
- egroupsova
- Oct 8
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This text describes one of the tools for protecting human rights. It answers the question: What do human rights defenders do and how does it work? Of course, I've written about only one thousandth (one millionth?) of what the international human rights community does. This text also explains a little about what it takes to be a human rights defender.
Every third Wednesday of the month, I moderate an international discussion of human rights defenders, Solidarity Talks. This is a project of the International Helsinki Association. This project, which is now in its fifth year and is based in Kyiv, is only the tip of the iceberg. First, I identify a human rights issue that is relevant to the Organization for Security and Cooperation in Europe (OSCE) region. I announce the discussion. Then I assemble a group of speakers willing to speak on this issue. My colleagues send the announcement to people who have previously participated in Solidarity (we have declined open invitations to everyone for security reasons for our discussion participants). Afterwards, we meet for an online discussion and explore the issue from all angles, and I moderate the process. But the discussion is often not the end point. Solidarity participants can decide to make a public statement, create a working group… there are many different options. In any case, Solidarity is a practical format for work.
Since February 2022, we have most frequently discussed on Solidarity the violation of Ukrainians' rights by the Russian regime. This is the objective reality. But we remain an international community, and we see the problems not only of Ukrainians. On September 17, we devoted a discussion to the suspension of humanitarian visas by the German authorities. This issue has not affected Ukrainians at all. But it has hit opponents of the regime and human rights activists – Belarusians, Iranians, and Russians – hard. During the discussion, the idea arose to send an appeal to the German Chancellor on behalf of Solidarity Talks participants. We understood that the comforting headlines about the restoration of the humanitarian visa program were just words, while the reality was completely different. This was the first time we used this format, an appeal from Solidarity Talks participants. A week after the discussion, the text was prepared in two languages (German and Russian), signed by 20 experts from 11 countries. We sent our appeal to the Chancellor, and you can read it below (in German). Did our appeal have any impact on the problem? I don't know. But this was exactly the case when you do everything you can. And then whatever happens, happens.
So what do stones have to do with it, especially living ones? Defending human rights in wartime is a very difficult task. And the problem isn't just how enemies behave, for whom there are no rules. Some "non-enemies" try to keep up... A human rights defender needs to be a hard, heavy stone. And they need to stay alive to understand the pain of others and defend their rights.
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Herrn Friedrich Merz
Bundeskanzleramt Bundeskanzler Willy-Brandt-Straße 1 10557 Berlin Deutschland
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| Internationale MenschenrechtsDebatte „Solidarity Talks“International Helsinki Association for Human Rights
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Wie wir der Luft bedürfen, um zu atmen,
des Lichtes, um zu sehen, so bedürfen wir edler Menschen, um zu leben.
Sie sind das Element, in dem der Geist wächst, das Herz rein wird.
Ricarda Huch,Schriftstellerin, Dichterin, Historikerin,Ehrendoktorin der Philosophie der Universität Jena in Thüringen,Aktivistin der antifaschistischen Bewegung in Deutschland der 1930er–1940er Jahre.Artikel „Für die Märtyrer der Freiheit“ vom 4. Mai 1946,Zeitung „Hessische Nachrichten“, Kassel, Deutschland
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Die Teilnehmenden der Internationale MenschenrechtsDebatte „Solidarity Talks“, die am 17.09.2025 von der Internationalen Helsinki-Vereinigung in Kyjiw (Ukraine) organisiert wurde, wenden sich an Sie hinsichtlich der humanitären Visa für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus und Russland (Paragraph 22.2 Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland).
Wir sprechen der Bundesrepublik Deutschland, ihrem Volk und der amtierenden Regierungskoalition unsere aufrichtige Dankbarkeit für die humanitäre Unterstützung von Belarusen und Russen mit einer klaren demokratischen, anti-totalitären Haltung und einem aktiven Engagement gegen den Krieg, demokratischen und antitotalitären Haltung aus. Der Großmut und die Menschlichkeit der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, die in ihrem Land Antragstellende für humanitäre Visa aufgenommen haben, haben es ermöglicht, das Leben und die Menschenwürde von Tausenden Belarussen und Russen zu bewahren, die die Humanität Deutschlands von Herzen schätzen und achten.
Als Gemeinschaft von Menschenrechtsverteidigern stellen wir auf Grundlage der Expertendiskussion vom 17. September fest, dass der Bedarf an humanitärer Visumsunterstützung für Belarussen und Russen weiterhin besteht. Die zeitweilige Aussetzung der Annahme von Anträgen und der Erteilung humanitärer Visa im Sommer 2025 war ein äußerst besorgniserregendes Signal und hat eine Reihe von Problemen hervorgerufen. Viele Menschen, die zunächst eine Einreisegenehmigung nach Deutschland, jedoch anschließend kein humanitäres Visum erhalten haben, befinden sich dadurch in einer Situation der Ungewissheit. Viele Menschen in verletzlicher Lage, die auf ein humanitäres Visum Deutschlands hoffen, wissen nicht, was sie in Zukunft erwartet und wie sie weiter verfahren sollen.
Im August 2025 wurde über die Wiederaufnahme der für Belarussen, Iraner und Russen berichtet – jedoch ohne beschleunigtes Verfahren und mit Aussetzung durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Nach unserem Verständnis bedeutet dies eine Rückkehr zu dem früheren Reglement, in dem pro Jahr nur wenige dieser Visa ausgestellt wurden. Zugleich ist der aktuelle Bedarf an humanitärer Visumsunterstützung für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus und Russland erheblich höher. Dies belegen die Verschärfung der repressiven russischen Gesetzgebung gegenüber der Zivilgesellschaft und bestimmten Gruppen (u. a. gegenüber der LGBTIQ-Communities) https://theins.ru/news/284532, die Zunahme administrativer Repressionsmaßnahmen wie die wöchentliche Aufnahme von Personen und Organisationen in das Register „ausländischer Agenten“ https://theins.ru/news/284889, Geldstrafen und Berufsverbote sowie die steigende Zahl von Hausdurchsuchungen, Festnahmen und Inhaftierungen oppositioneller Antikriegsaktivisten https://theins.ru/news/280650, https://www.memorial.de/nachrichten/artikel/keine-einreise-mehr-fuer-gegner-diktatorischer-regime.
Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über umfassende und wichtige Erfahrung bei der Vergabe humanitärer Visa (mehr als 400 Belarussen und über 2.150 Russen haben diese erhalten), über einen effizienten Mechanismus der diesbezüglichen interministeriellen Zusammenarbeit, über die entsprechende Infrastruktur in den Bundesländern sowie über ein präzise ausgearbeitetes Format der sozialen Unterstützung für Menschen, die mit humanitären Visa einreisen. Unserer Ansicht nach sollten Analoga des deutschen humanitären Visums auch in anderen europäischen Staaten geschaffen werden – und die Bundesregierung Deutschlands könnte derartige Initiativen fördern und mit ihrer Expertise unterstützen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass solche Neuerungen mindestens mehrere Monate in Anspruch nehmen werden – den Menschen jedoch, die in autoritären und neototalitären Staaten politisch motivierter Verfolgung ausgesetzt sind, steht diese Zeit nicht zur Verfügung. Diese Menschen werden ihrer Freiheit beraubt, gefoltert und getötet – außerhalb jeglicher Normen einer zivilisierten Gesellschaft. Humanitärer Schutz wird von ihnen jetzt benötigt.
Die „humanitären Migranten“ verschiedener Altersgruppen aus Belarus und Russland verfügen überwiegend über eine höhere oder spezialisierte Ausbildung sowie über erhebliche berufliche Erfahrung. Sie sind hoch motiviert und potenziell in der Lage, sich rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren, darunter auch über grenzüberschreitende Fernbeschäftigung, und könnten damit auch einen eigenen Steuerbeitrag zu den kommunalen und Landeshaushalten Deutschlands leisten. Die staatliche Regulierungsarchitektur des Arbeitsmarktes könnte solche modernen Formen der Beschäftigung wie die grenzüberschreitende Fernbeschäftigung gezielt fördern. Dies würde es humanitären Migranten ermöglichen, ihre Qualifikation und ihr Einkommensniveau zu wahren, es würde die Arbeitsintegration beschleunigen, folglich die Steuereinnahmen erhöhen und die Belastung sozialer Institutionen verringern, wodurch die Entwicklungsstrategie der deutschen Wirtschaft zielgerichtet ergänzt und gestärkt würde.
Die Vergabe humanitärer Visa an Familien aus Belarus und Russland liegt nicht nur im Interesse der betroffenen humanitären Migranten selbst. Sie fördert zugleich einen verantwortungsvollen politischen Realismus im Widerstand gegen politischen Populismus und ermöglicht es, dass kompetente und authentische Berichte über die Realität autoritärer und totalitärer Regime im öffentlichen Raum Deutschlands und der EU unzensiert und ungehindert geäußert und gehört werden können.
Herr Bundeskanzler Merz, wir bitten Sie, unser Anliegen zu prüfen und die Vergabe humanitärer Visa für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus und Russland entsprechend dem tatsächlichen Bedarf fortzuführen (und bei Notwendigkeit auch für Staatsangehörige anderer Länder). Zudem bitten wir Sie, den humanitären Charakter dieses Programms zu bewahren – nämlich die effektive soziale Unterstützung derjenigen, die in Deutschland humanitäre Visa erhalten.
Insbesondere bitten wir um Folgendes:
1. Die Vergabe humanitärer Visa sowie die Verlängerung der Aufenthaltstitel nach § 22.2 Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland für Bürgerinnen und Bürger aus Belarus und Russland fortzuführen, unter Berücksichtigung der Zahl der Antragstellenden sowie der Realitäten dieser Länder. Die Bearbeitungsfristen für Anträge – soweit möglich – zu verkürzen.
2. Einen dreijährigen Moratoriumsbeschluss für die Aufhebung humanitärer Visa für Belarussen und Russen sowie einen dreijährigen Moratoriumsbeschluss für die Verkürzung der Dauer und Bedingungen der humanitären Aufnahme festzulegen.
3. Humanitäre Visa sowie Aufenthaltstitel nach § 22.2 Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich für drei Jahre zu erteilen. Dies wird die individuellen Integrationspläne auf lange Sicht verbessern sowie eine größere „Rendite“ aller Formen von Investitionen in das Programm der humanitären Aufnahme gewährleisten (vgl. IFRI-Studie „The new Russian diaspora in Europe: Integrated and here to stay“, Le Monde, 16.06.2024). Darüber hinaus würde dies den sogenannten „Migrationsstress“ erheblich minimieren – einen Faktor, der die sozioökonomische Integration nachweislich verlangsamt.
4. Denjenigen, die sich bereits im Verfahren zur Beantragung eines humanitären Visums befinden, so bald wie möglich individuelle Informationen über die Perspektiven ihrer Anträge und die Fristen der Entscheidungsfindung in ihrem Fall zur Verfügung zu stellen.
5. Den Ansatz hinsichtlich der Anforderung dokumentarischer Nachweise von politisch motivierter Verfolgung im Herkunftsland (für Antragstellende auf ein humanitäres Visum) zu ändern. Wenn solche Nachweise entstehen, ist es oft schon zu spät, um die betreffende Person noch retten zu können – er oder sie steht dann in der Regel bereits unter Ermittlungen (was ein Ausreiseverbot aus dem Land, Einschränkung der Kommunikationskanäle, Blockade von Bankkonten und anderes bedeutet) oder befindet sogar bereits in Haft. Daher sollte stattdessen die Heranziehung einer unabhängigen Begutachtung der Verfolgung zur Klärung ihrer politischen Motive in jedem Einzelfall als reguläre Praxis verankert werden.
6. Für Personen, die humanitäre Visa erhalten haben, das derzeitige Format der sozialen Unterstützung beizubehalten und die Höhe der Leistungen unter Berücksichtigung der Inflation regelmäßig zu indexieren.
7. Die staatliche Förderung der beruflichen Integration von Menschen, die humanitäre Visa erhalten haben, mit dem Ziel eines möglichst schnellen Übergangs in die Kategorie der Steuerzahler zu verstärken. Dafür halten wir es für zweckmäßig, bestimmte gesetzliche Beschränkungen zu ändern:
o Die Beschränkungen der grenzüberschreitenden Arbeitsmobilität aufzuheben (das heißt die Möglichkeit zu schaffen, in Fernarbeit für ausländische Organisationen im Rahmen von kurzfristigen und langfristigen Arbeitsverträgen tätig sein zu können, ohne dass eine Registrierung in Deutschland erforderlich ist);
o Verbesserung der Praxis der Jobcenter hinsichtlich der Aufhebung von Leistungen für Selbständige (keine Aufhebung allein aufgrund der Registrierung als Selbständige in Handel und Handwerk oder als Selbständige in freien Berufen; keine Aufhebung bei Null-Einkommen oder bei Einkommen unterhalb des Existenzminimums);
o Anpassung der Definitionen von Beschäftigungsformen, die mit dem Einsatz sozialer Netzwerke verbunden ist (z. B. anstatt sämtliche Aktivitäten auf YouTube der Kategorie „Handel“ zuzuordnen, sie anhand der Kriterien für Selbständige in freien Berufen oder Selbständige in Handel und Handwerk zu bestimmen);
o Vereinfachung des Systems der Steuerabzugsberechnungen (ohne deren Kürzung) und der Steuerberichterstattung für angestellte sowie selbständige Erwerbstätige, einschließlich Steuerabzügen und Berichterstattung bei Fernarbeit in ausländischen nicht in Deutschland registrierten Unternehmen, Institutionen oder Organisationen.
8. Konsultationen mit den zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die bisher keine Programme für humanitäre Visa haben, zu initiieren und durchzuführen, mit dem Ziel, solche Programme in diesen anderen Mitgliedsstaaten einzuführen. Dies würde es ermöglichen, eine größere Zahl gefährdeter Menschen aus Russland, Belarus und anderen Ländern zu retten und zugleich die Belastung der Bundesrepublik Deutschland als aufnehmendes Land für „humanitäre Migranten“ zu verringern.
Wir setzen große Hoffnung auf die Fortführung des humanitären Aufnahmeprogramms durch Deutschland sowie auf die weitere Zusammenarbeit mit der internationalen Menschenrechtsgemeinschaft bei dessen Umsetzung.
Mit tiefem Respekt vor Ihnen und in aufrichtiger Dankbarkeit für Ihre Aufmerksamkeit gegenüber unserem Schreiben,
die Teilnehmenden der Internationalen Menschenrechts Debatte „Solidarity Talks“:
Der Appell wurde von 20 Teilnehmern der Menschenrechtsdiskussion „Solidarity Talks“ aus Aserbaidschan, Armenien, Belarus, Georgien, Spanien, Lettland, Litauen, Russland, den USA, der Ukraine und Deutschland unterzeichnet.
Mykhailo Savva, Vorstandsvorsitzender der Sova-Expertengruppe, Doktor der Politikwissenschaft, Professor, Ukraine
Mykhailo Savva,
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